Marilyn Manson im Interview: Schock-Rocker und Meister des Bizarren (2024)

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Zur Person
Marilyn Manson im Interview: Schock-Rocker und Meister des Bizarren (1)

Marilyn Manson wurde am 5. Januar 1969 als Brian Hugh Warner in Canton (Ohio) geboren. In den Neunzigerjahren erreichte er Kultstatus mit seiner Band Marilyn Manson, benannt nach Schauspielerin Marilyn Monroe sowie dem Sektenguru und verurteilten Mörder Charles Manson. Mit Hits wie "The Dope Show" oder dem Soft-Cell-Cover "Tainted Love" verkaufte er über 50 Millionen Platten. Er war kurz mit Aktmodell Dita Von Teese verheiratet und wirkte als Schauspieler in Filmen und TV-Serien mit, darunter "Lost Highway". Marilyn Manson lebt in Los Angeles. Soeben erschien sein zehntes Studioalbum "Heaven Upside Down", damit geht er ab 12. November auch auf Europa-Tournee.

einestages: Mr. Manson, als "Meister des Bizarren" schockieren Sie mit Ihren Outfits, Songs und Videos. Wie fing das an?

Manson: Diese Neigung liegt wohl in meiner Kindheit und Jugend verwurzelt. Ich würde mich mit Jeffrey Beaumont vergleichen, dem neugierigen Jungen aus dem David-Lynch-Thriller "Blue Velvet". In einem verschlafenen Nest irgendwo in Amerika findet er ein abgeschnittenes Menschenohr im Gras und kommt verstörenden, perversen Dingen auf die Spur. Ich war genauso neugierig wie dieser Jeffrey.

einestages: Wie zeigte sich das?

Manson: Eines Tages habe ich im Keller meines Großvaters Jack herumgeschnüffelt, der als schwarzes Schaf der Familie galt. Warum, wusste ich nicht und war neugierig. In einer großen Kiste hatte er Reizwäsche, jede Menge dild*s und harte p*rnohefte gebunkert. Krasser Stoff. Ich war gerade mal 12 und hatte so was noch nie gesehen, fand es aber eher spannend als verstörend. Als ich später "Blue Velvet" sah, fühlte ich mich sofort in meine Jugend zurückversetzt. Ich glaube, diese Entdeckungen haben mich ziemlich geprägt. Vielleicht hätte es Marilyn Manson ohne meinen schrägen Großvater nie gegeben.

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Konzertunfall in New York: Am 30. September 2017 fiel eine Bühnendekoration um. Wie dieses Video auf Twitter zeigt, stürzten zwei Riesenpistolen auf Manson, der ins Krankenhaus gebracht wurde. Die Europakonzerte im November sollen aber wie geplant stattfinden, darunter Hamburg (16.11.), München (18.), Berlin (25.) und Düsseldorf (29.11.)

einestages: Plagen einen Marilyn Manson gelegentlich Albträume?

Manson: Wie wohl jeden Menschen. Aber sie stören mich nicht im Geringsten. Schlechte Träume inspirieren mich zu guten Songs.

einestages: Einer Ihrer neuen Songs heißt "Say 10", ausgesprochen "Satan". Gehören Sie tatsächlich der "Church of Satan" an, haben Sie den 1997 verstorbenen Gründer Anton Szandor LaVey noch gekannt?

Manson: Klar. Ich bin da seit vielen Jahren Ehrenmitglied. In Amerika nannte man LaVey den "Vater des Satanismus" und "bösesten Menschen des Planeten". Ich habe LaVey dreimal in seinem Haus besucht, der "Church of Satan" in San Francisco.

einestages: Wie kam es dazu?

Manson: Ich habe ein Interesse an allem, was besonders ist. In meiner Jugend habe ich Bücher von Friedrich Nietzsche und Sigmund Freud verschlungen, war fasziniert von Charles Darwin und dem umstrittenen Satanisten Aleister Crowley. Ihre Ideen fand ich spannend. Dann stieß ich auf Anton LaVey, der einst die "Satanische Bibel" verfasst hatte. Satanismus wird in meinen Augen oft missverstanden als Teufelsanbeterei. In Wirklichkeit geht es vielmehr um Individualismus, um Selbstverwirklichung: Jeder kann sein eigener Gott sein! Nebenbei glaube ich übrigens nach wie vor auch an das Christentum, es gibt viele sinnvolle Stellen in der Bibel.

einestages: Nehmen Sie die "Church of Satan" ernst?

Marilyn Manson im Interview: Schock-Rocker und Meister des Bizarren (2)

Fotostrecke

Marilyn Manson: "Ich bin Amerikas Albtraum"

Foto:

Dana Frank/The LIFE Images Collection/Getty Images

Manson: Nicht im religiösen Sinn. LaVey sah sie mehr als Statement gegen die Verlogenheit der Gesellschaft und diese unerträgliche Flower-Power-Love-Generation Ende der Sechziger. Ich glaube nicht, dass LaVey religiös oder politisch motiviert war. Er war teils Rebell, teils Philosoph, auch Trickbetrüger. Seine Offenheit hat mir gefallen, wir freundeten uns an. Einmal habe ich Traci Lords, berühmte p*rnodarstellerin, die wie ich aus Ohio stammt, auf ein Date zu LaVey mitgenommen. Er erwies sich als hilfreicher "Wingman": Klingt verrückt, aber dank Unterstützung des "Church of Satan"-Gründers schaffte ich es, einen p*rnostar flachzulegen.

einestages: Eine krasse Wandlung für jemanden, der einst eine streng christliche Privatschule besuchte.

Manson: Meine Eltern haben mich gegen meinen Willen auf die "Heritage Christian School" in Canton geschickt, dabei waren sie nicht mal besonders religiös. Das habe ich nie verstanden. Gut, mein Vater Hugh hatte mal ein Priesterseminar besucht, bevor ich zur Welt kam. Er wollte eine Zeitlang Pfarrer werden, dazu kam es nie. Meine Eltern waren in ständiger Sorge um mich, denn mein IQ und meine Aktivitäten deuteten darauf hin, dass ich mich Richtung Soziopath bewege. Sie hielten die christliche Schule für eine gute Idee.

einestages: Zu Ihren Eltern hatten Sie immer ein gespanntes Verhältnis.

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Manson: Ja, aber ich habe meinen Frieden mit ihnen gemacht, bevor sie gestorben sind. Es hatte mit der Vergangenheit meines Vaters zu tun: Mit 17, nicht mal volljährig, wurde er zur Army eingezogen. Er hat in Vietnam gekämpft, dort schreckliche Dinge erlebt und viele Menschen getötet. Das hat ihn schwer belastet, aber er hat nie darüber gesprochen, bis kurz vor seinem Tod. Als ich seine Geschichte kannte, konnte ich mir sein Verhalten besser erklären. Ich würde nicht sagen, dass er ein schlechter Vater war. Mein Dad war halt schwierig, verschlossen und oft nicht da, weil er viel arbeiten musste. Heute weiß ich, dass er so viel gearbeitet hat, um das Geld für die verdammte Privatschule aufzubringen - auf die ich nie wollte.

einestages: Waren Sie dort ein Außenseiter?

Manson: Ja, ungewollt. Um dazuzugehören, habe ich sogar mit Football angefangen: In der "Midget League" spielten die ganz Kleinen, Schmächtigen. Ich trug die Nummer 41 hinten auf der Position Tight End, wollte aber eigentlich lieber Quarterback sein. Egal, ich kam eh so gut wie nie zum Einsatz. Bestimmt hat unser Team deshalb die Highschool-Championship gewonnen (lacht).

einestages: Bald sind Sie von der christlichen Privatschule geflogen. Haben Sie den Rauswurf provoziert?

Manson: Das ging für mich in Ordnung. Vor Unterrichtsbeginn hatte ich einen Vibrator aus der Sammlung meines Großvaters neben eine Bibel auf dem Lehrerpult platziert. Das war für die natürlich zu viel. Ich gebe zu, dass ich damals echt viel Mist gebaut habe. Und ich habe meine Eltern dafür gehasst, dass sie mich überhaupt dorthin geschickt haben.

einestages: Lief es auf der öffentlichen Schule besser?

Manson: Nicht wirklich. Ich wurde regelmäßig von meinen neuen Mitschülern verprügelt, sie lauerten mir an der Bushaltestelle auf und gingen auf mich los. Ich war der Buhmann, weil ich von der Christian School kam.

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einestages: Stimmt es, dass Sie als Schüler zum Drogendealer wurden?

Manson: Ja. Ich hatte rausbekommen, dass die "Diätpillen" meiner Mum in Wirklichkeit Speed waren. Die habe ich ihr geklaut und in der Schule vertickt. Plötzlich waren alle nett zu mir. Als Dealer wurde ich nicht länger verprügelt, die Bad Boys wurden meine besten Freunde.

einestages: Wie kam die Musik ins Spiel?

Manson: Durch einen Typen an der Schule lernte ich Heavy Metal kennen, kaufte eine Jeansjacke, ließ mir die Haare lang wachsen. Mit Metal konnte man Eltern noch schocken. KISS fand ich klasse, weil die scary aussahen, ebenso Black Sabbath, Judas Priest und besonders Iron Maiden, die hatten die geilsten Plattencover. Alice Cooper gehörte auch zu meinen Helden, mit ihm bin ich kürzlich in Wacken aufgetreten.

einestages: Mit Alice Cooper verbindet Sie einiges.

Manson: Stimmt. Wir beide haben uns Künstlernamen zugelegt, sein Vater war Priester, meiner machte eine Priesterausbildung. Und wir werden beide oft missverstanden. Alice ist großartig, aber Jim Morrison war der erste Künstler, mit dem ich mich richtig identifizieren konnte. Die "Greatest Hits"-Cassette von The Doors habe ich damals in der Bibliothek in Canton geklaut. Und dann kam David Bowie. Ich hatte immer ein Faible für Paradiesvögel, Bowies Video zu "Ashes to Ashes" war ein bahnbrechendes Erlebnis - dass man Musik so darstellen konnte.

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einestages: Ein berühmtes Foto aus Ihrer Highschool-Zeit zeigt Sie mit "Mullet", einer Vokuhila-Frisur. Wann begannen Sie, sich umzustylen und zur Kunstfigur Marilyn Manson zu werden?

Manson: Schon bevor ich die Band 1989 gründete. Als ich mit meinen Eltern von Ohio nach Fort Lauderdale umzog, begann in Florida für mich ein neues Leben. Ich hatte keine Freunde, kannte niemanden und musste quasi bei null anfangen. Dort habe ich das College besucht, Journalismus und Theaterwissenschaft studiert. In einem Artikel nannte ich eine fiktive Rockband "Marilyn Manson". Ich habe mir eine Fantasiewelt erschaffen, weil mir die Welt, in der ich lebte, nicht gefiel. Dann ging es los mit der Musik. Und Marilyn Manson wurde zur realen Band.

einestages: Hatten Sie Vorbilder für Ihre auffällige Optik?

Manson: Ich fing an, mir die Haare schwarz zu färben, um interessant zu wirken. Die meisten trugen damals noch "Mullet"-Frisuren. Diesen Vorn-kurz-hinten-lang-Look hatte, wie so vieles, David Bowie schon in den Siebzigern erfunden. Bei ihm sah es auch richtig gut aus. David gehört zu den Künstlern, die mich am meisten inspirierten, vor allem mit seinem Album "Diamond Dogs". Sein "Rebel Rebel" nehme ich jetzt übrigens für den Soundtrack zu einem neuen Film auf. Bei ihm habe ich gelernt, wie wichtig Optik und Image sind. Er war das perfekte Chamäleon. Bei Marilyn Manson wurden die Outfits mit der Zeit immer krasser.

einestages: Fühlten Sie sich von Ihrem Alter Ego auch mal eingeengt?

Manson: Allerdings - es gab eine Zeit, da wollte ich mit der Musik Schluss machen und neue Dinge entdecken, Kunstformen wie Film oder Malerei. Ich war einfach gelangweilt von Marilyn Manson und wollte nicht das sein, was alle von mir erwarteten.

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einestages: Sehen Sie Ihre Musik, Ihre Kunst als eine Art Psychotherapie?

Manson: Das ist nicht der richtige Begriff. Ich war mal in einem Drogenentzugsprogramm, aber sie haben mich rausgeschmissen. Mich hat das tödlich gelangweilt. Ich habe den Therapeuten gefragt, ob er mir einen einzigen Künstler nennen kann, der nach dem Entzug spannendere Kunst gemacht hat. Daraufhin schickte er mich zum Psychiater, der mir sagte, er behandele keine Künstler, das sei aussichtslos: Sie bräuchten die Ups und Downs für ihre Kunst, ich solle nur darauf achten, dass ich mehr Ups habe. Es ist ein ständiger Kampf. Viele große Musiker, Schauspieler, Maler oder Schriftsteller haben zeitlebens gelitten - und aus ihrem Schmerz ist großartige Kunst entstanden. Kunst ist definitiv Selbstzweck, reiner Egoismus. Meine Musik ist ein Ventil für vieles, was mich beschäftigt und bewegt. Ich schreibe Lieder, zu denen man entweder kämpfen oder vögeln kann. Meine neue Single "We Know where You f*cking Live" etwa ist ein Fight-Song, der sagt: I'm the wrong person to f*ck with! Bedeutet: Sich mit mir anzulegen, ist wie gegen den Wind zu pissen (lacht). Also, Vorsicht!

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